Wettlauf um Halbleiter. Indien und China holen auf. Wettlauf um Halbleiter. Indien und China holen auf.

Indien und China: Der Wettlauf um die Halbleiterdominanz.

Wirtschaftlich gesehen hat die Halbleiterindustrie einen enormen Einfluss. So wird der Wert des weltweiten Halbleitermarkts im Jahr 2022 auf etwa 573,44 Mrd. USD geschätzt, und es wird erwartet, dass dieser Wert bis 2029 auf 1,38 Bio. USD ansteigen wird. Dies entspräche einer jährlichen Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate, CAGR) von 12,2 %, womit der Markt fast doppelt so schnell wachsen würde wie die am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. In jüngster Zeit wurde dieses Wachstum vor allem durch die steigende Nachfrage nach elektronischen Geräten und die Fortschritte bei KI und maschinellem Lernen getrieben, die eine enorme Rechenleistung erfordern. In den entsprechenden Branchen hat dies zu einem Höhenflug der Aktienkurse geführt.

Indien will in fünf Jahren zu den fünf größten Chipherstellern gehören

Asien hat die Halbleiterindustrie nicht immer so stark dominiert wie heute. Ein wichtiger Faktor, der Südkorea und Taiwan zu immer größerer Bedeutung verhalf, waren die niedrigeren Produktionskosten im Vergleich zum einstigen Branchenprimus USA. Welche Länder holen auf? Indien beispielsweise verfolgt den ehrgeizigen Plan, innerhalb der nächsten fünf Jahre zu den fünf größten Chipherstellern aufzuschließen, und entwickelt sich durch Fortschritte in verschiedenen Sektoren zu einem wichtigen Akteur in der Fertigungsindustrie insgesamt.

Production-Linked Incentive Program

Ein wichtiges Element dieser Strategie ist das Production-Linked Incentive Program (PLI) der Regierung, das den Zufluss ausländischer Direktinvestitionen erhöhen soll. So haben beispielsweise die Tata Group und Taiwans Powerchip Semiconductor Manufacturing Corporation (PSMC) ein Joint Venture zum Bau einer 28-Nanometer-Fertigungsanlage angekündigt. Die Gesamtinvestition beläuft sich auf rund 11 Mrd. USD und es sollen direkt und indirekt mehr als 20.000 qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die 28-Nanometer-Technologie ist zwar keine Spitzentechnologie, bietet aber ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Komplexität und Produktionskosten einerseits und Vielseitigkeit und Verarbeitungsleistung andererseits. Diese Prozessoren sind energieeffizient und werden daher häufig in Anwendungen wie Mobiltelefonen, Fernsehern und tragbaren Geräten eingesetzt. Vor weniger als zehn Jahren importierte Indien rund 180 Millionen Mobiltelefone. Im Jahr 2024 wird das Land der weltweit zweitgrößte Hersteller von Mobiltelefonen sein. Es deckt 97 Prozent seines eigenen Bedarfs und exportiert rund 40 Millionen Stück.

Indien ist eines der führenden Länder auf dem sich rasch entwickelnden Gebiet der KI-Anwendungen. Umfragedaten zufolge verfolgen 70 % der indischen Unternehmen KI-Projekte, die entweder bereits operativ genutzt werden oder sich derzeit in der Pilotphase befinden. Damit spielt das Land in einer Liga mit den USA, Singapur und Großbritannien. Im weltweiten Durchschnitt sind es nur 49 Prozent, bei den Nachzüglern sogar nur 36 Prozent.

Auch China macht Fortschritte

Natürlich kann man kein Bild des globalen und asiatischen Halbleiter-Ökosystems zeichnen, ohne China zu erwähnen. Als die USA 2022 aufhörten, modernste Chips und Chipfertigungsanlagen nach China zu exportieren, setzten chinesische Unternehmen alles daran, so viel wie möglich anderswo einzukaufen: Die Importe von Lithografieanlagen stiegen um 450 Prozent, und japanische Anlagenhersteller verzeichneten eine außergewöhnlich hohe Nachfrage. Doch schon 2023 werden schätzungsweise 14 % der für die chinesische Chipproduktion benötigten Anlagen aus inländischen Quellen stammen. Das ist zwar immer noch wenig, entspricht aber einer Verfünffachung in nur fünf Jahren.

Industrieexperten und US-Regierungsvertreter überrascht

Auch in anderen Bereichen hat das Land Fortschritte gemacht. So herrschte im vergangenen Jahr zwar ein Mangel an Systemen für die extreme Ultraviolett-Lithografie (EUV-Lithografie), da diese fast ausschließlich von ASML hergestellt werden und aufgrund der US-Sanktionen nicht nach China exportiert werden dürfen. Dennoch konnte Huawei in Zusammenarbeit mit SMIC den 7-Nanometer-Chip Kirin 9000S vorstellen. Laut Financial Times waren viele Industrieexperten und US-Regierungsvertreter überrascht, dass China es trotz aller Widrigkeiten geschafft hat, ein hochentwickeltes Produkt herzustellen. Es wird vermutet, dass SMIC Anlagen für die Lithografie im tiefen Ultraviolett (DUV) verwendet hat, die weniger präzise und damit weniger effizient sind als EUV-Systeme.

Massenproduktion von 5-Nanometer-Chips

Die Produktion wird wahrscheinlich länger dauern und mehr Ausschuss produzieren, aber das Unternehmen hat es geschafft, den Chip herzustellen. Das Technologieberatungsunternehmen TrendForce berichtete, dass China 2024 bereits mit der Massenproduktion von 5-Nanometer-Chips unter Verwendung von DUV-Lithographiesystemen begonnen haben könnte. Der Produktionsprozess ist jedoch schätzungsweise 40 bis 50 % teurer als der Branchenstandard von TSMC, und die Ausbeute dürfte um etwa zwei Drittel geringer sein als bei den fortschrittlichsten Systemen.

Aber wenn es um kritische Technologie geht, sind wirtschaftliche Aspekte für die chinesische Regierung wahrscheinlich nicht der alles entscheidende Faktor. Bemerkenswert ist, dass China auch mit Technologien außerhalb der traditionellen Halbleiterfertigung experimentiert.

Ende 2023 kündigten chinesische Wissenschaftler der Tsinghua-Universität die Entwicklung eines rein analogen KI-Chips (ACCEL) an, der Lichtsignale anstelle von Elektrizität verwendet und bis zu 3.000 Mal schneller sein könnte als der berühmte A100 von NVIDIA. Mögliche KI-Anwendungen für den photonischen Chip sind unter anderem Bilderkennung, Verarbeitung natürlicher Sprache und autonomes Fahren. Natürlich befinden sich diese Anwendungen noch in der Experimentierphase, aber in einer Zeit, in der sich das Moore’sche Gesetz seinen physikalischen Grenzen zu nähern scheint, wird eines deutlich: Die Innovation in diesem Bereich schreitet ungebremst voran.

Quellen und weiterführende Informationen

Autor und inhaltlicher Ansprechpartner

Marcus Weyerer
Marcus Weyerer
Marcus Weyerer
Senior ETF Investment Strategist, EMEA Franklin Templeton ETFs
www.franklintempleton.de

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