Im Gespräch mit Joern Pfannkuch über die neue Generation chinesischer Luxusreisender.
Chinas junge Reisende sind zurück, digital, anspruchsvoll und voller Entdeckergeist. In seinem aktuellen White Paper „Next Generation Chinese Travelers“ analysiert der Luxury-PR-Experte und Gründer von Cinnamon Circle, Joern Pfannkuch, die Reisegewohnheiten von Gen Z und Millennials aus China.
Dabei geht es um weit mehr als Destinationen und Budgets. Es geht um kulturelle Resonanz, emotionale Relevanz und neue Formen des Storytellings. Im Gespräch mit dem NeuInstitut erklärt Pfannkuch, warum klassische Übersetzungen nicht mehr ausreichen, wie Plattformen wie Xiaohongshu den Tourismus verändern und was europäische Anbieter jetzt tun müssen, um auf Chinas Reiselandkarte relevant zu werden und zu bleiben.
Was unterscheidet die neue Generation chinesischer Reisender aus Ihrer Sicht grundlegend von früheren?
Die neue Generation, vor allem Gen Z und junge Millennials, reist nicht mehr, um zu konsumieren, sondern um zu kuratieren. Was zählt, ist nicht nur, wo sie waren, sondern wie sich dieser Ort in ihrer digitalen Erzählung niederschlägt. Sie suchen Resonanz mit den Werten, der Ästhetik und dem Storytelling einer Marke. Früher war ein berühmter Ort ein Ziel, heute ist es der persönliche Blickwinkel, der zählt. Chinesische Social Media Plattformen wie Xiaohongshu & Co. sind dabei nicht nur Inspirationsquelle, sondern Bühne. Eine Bühne für Identität.
Im Vorwort des neuen White Papers sprechen Sie über Respekt als Grundlage. Was bedeutet das konkret im Kontext von Tourismus und Marketing?
Respekt beginnt mit echter Neugier. Wer chinesische Reisende ernst nimmt, reduziert sie nicht auf Stereotype oder bloße Kaufkraft. Es geht um kulturelle Sensibilität, Sprache im tiefsten Sinne also nicht nur Übersetzung, sondern Bedeutung. Eine respektvolle Marke fragt nicht: „Wie viel geben sie aus?“, sondern: „Was bewegt sie?“ Wer das erkennt, wird nicht nur wirtschaftlich belohnt sondern steigert seine (Online-) Reputation.
Warum ist die Social Media App Xiaohongshu (RED) so einflussreich für die chinesische Reisezielwahl?
Weil Xiaohongshu kein Reiseportal ist, sondern ein digitaler Lifestyle-Kompass. Es geht um ästhetisch inszenierte Authentizität. Wenn eine Reisende dort einen Ort empfiehlt, geschieht das nicht als Review, sondern als Teil ihrer Persönlichkeit. Vertrauen entsteht durch Individualität, nicht durch Werbung. Für europäische Anbieter bedeutet das: Statt klassischer Anzeigen brauchen sie Geschichten und Gesichter, die diese erzählen.
Welche Reiseformate liegen besonders im Trend und warum?
Maßgeschneiderte Luxusformate, Boutique-Erlebnisse, Themenreisen. Die neue Zielgruppe liebt kontextualisierten Luxus: eine Design-Villa mit Geschichte, ein privates Dinner in einer Galerie, ein Spa-Ritual mit kultureller Tiefe. Wichtig ist: „exklusiv“ meint in diesem Zusammenhang „bedeutungsvoll“. Selbst ein Dorfbesuch kann Luxus sein wenn er gut erzählt ist.
Wie verändert sich das Verständnis von „Luxus“ bei der jungen Zielgruppe in China?
Luxus wird leiser, persönlicher, spiritueller. Statt Markenlogos zählen Herkunft, Handwerk und Gefühl. Ein Parfum, das an einen Moment erinnert, ist oft mehr wert als ein Shopping-Spree. Für Velvet Passport eines meiner aktuellen Projekte haben wir diesen Wandel sehr bewusst aufgenommen: Sinnliche Rituale, duftende Geschichten, kulturelle Tiefe, das ist der neue Luxus.
Was sind die häufigsten Fehler, die europäische Marken im China-Marketing machen?
Zu denken, man könne mit alten Erfolgsrezepten neue Märkte gewinnen. Der größte Fehler ist, einfach zu übersetzen, statt zu übertragen. Kulturelle Codierung ist entscheidend. Dazu kommt: Viele unterschätzen die Rolle der Plattformen, das Tempo der Trends und die Macht der Community. Xiaohongshu, Douyin das sind keine Kanäle, das sind kulturelle Ökosysteme.
Was empfehlen Sie Hotels oder Destinationen konkret, um für chinesische Millennials und Gen Z attraktiv zu sein?
Drei Dinge: Erstens Design mit Story. Räume müssen „instagrammable“ und „narrativ“ zugleich sein. Zweitens Digitalität: WeChat, RED, Mini-Programme, QR-Stories. Drittens, Partnerschaften mit authentischen Stimmen. Ein einziger glaubwürdiger Post auf Xiaohongshu kann mehr bewirken als jede Werbeanzeige.
Welche Rolle spielt Storytelling heute im Tourismus-Marketing?
Es ist der Schlüssel. Storytelling schafft Identifikation, Kontext, Emotionalität. In Zeiten von Content-Fluten entscheidet nicht die Information, sondern die Emotion. Menschen wollen Teil einer Geschichte sein nicht nur Gäste, sondern Charaktere.
Wie sehen Sie die Entwicklung der kommenden Jahre? Welche Trends zeichnen sich bereits ab?
Hyperpersonalisierung, Emotional Luxury, Cultural Microtargeting. Reisen wird zu einer Form von Selbstinszenierung, aber auch Selbstfindung. Chinesische Reisende suchen Sinn, Schönheit und Verbindung nicht nur Convenience. Wer diese Sehnsüchte bedienen kann, ist gut aufgestellt.
Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft des kulturellen Austauschs im Tourismus?
Mehr gegenseitige Neugier, weniger Klischees. Ich wünsche mir einen Tourismus, der Brücken baut nicht nur wirtschaftlich, sondern menschlich. Wenn ein Gast sich gesehen, gehört und verstanden fühlt, ist das die schönste Form von Gastfreundschaft und sicherlich die nachhaltigste.
Über Jörn Pfannkuch
Jörn Pfannkuch ist Verleger des High-End-Magazins VIEWS und spezialisiert auf Corporate Publishing für die Luxushotellerie. Mit seiner Agentur Cinnamon Circle begleitet er Hotels und Destinationen im DACH-Raum sowie gemeinsam mit Partnern in Shanghai beim kulturell sensiblen Markteintritt in China.