Kommentar von Marcus Weyerer, Director ETF Investment Strategie, Franklin Templeton
Die BRICS-Staaten verfolgen seit Jahren das Ziel, ihren globalen Einfluss jenseits westlich dominierter Institutionen wie dem IWF oder der Weltbank auszubauen. Chinas Außenpolitik lässt sich dabei als strategischer Versuch interpretieren, durch gezielte Koalitionen – insbesondere mit Ländern des Globalen Südens – die Vereinten Nationen stärker im eigenen Sinne zu gestalten. Neu ist das nicht: Bereits 2015 wurde mit der Gründung der New Development Bank (NDB) ein konkreter Schritt in Richtung institutioneller Unabhängigkeit unternommen. Doch Donald Trumps demonstrative Gleichgültigkeit gegenüber langjährigen US-Partnern könnte diesem Bestreben eine neue Dynamik verleihen.
Nationale Interessen und geopolitische Rivalitäten
Trotzdem bleibt Skepsis angebracht: Die BRICS sind weit davon entfernt, ein homogener Block zu sein. Vielmehr dominieren nationale Interessen und geopolitische Rivalitäten. Das prominenteste Beispiel ist das angespannt-verletzliche Verhältnis zwischen China und Indien. Zwar hat Indien seine Wirtschaftsbeziehungen zu Russland in den letzten Jahren deutlich intensiviert – der bilaterale Handel hat sich verfünffacht, ein Freihandelsabkommen ist in Arbeit – doch gleichzeitig pflegt Neu-Delhi enge Bindungen zum Westen. Neue Handelsverträge mit der EFTA und Großbritannien sowie das Unbehagen gegenüber der wachsenden Nähe zwischen Moskau und Peking verdeutlichen diese strategische Gratwanderung.
Auch Südafrika agiert vorsichtig. Die starke wirtschaftliche Präsenz Chinas sorgt für Spannungen, wenngleich sich durch die unterkühlten Beziehungen zu den USA unter Trump neue Anknüpfungspunkte zu Peking ergeben könnten – teils eher aus Mangel an Alternativen denn aus Überzeugung.
Brasilien wiederum bleibt unentschlossen. Zwar haben sich die Beziehungen zu Russland und China unter Präsident Lula verbessert, doch die außenpolitische Linie bleibt unklar. Die BRICS-Erweiterung 2024 – unter anderem um Saudi-Arabien und den Iran – bringt zusätzliche geopolitische Spannungen in ein ohnehin komplexes Gefüge.
Gleichzeitig birgt diese volatile Weltlage auch Chancen. So könnte Brasilien etwa vom Handelskonflikt zwischen China und den USA profitieren. Sollten chinesische Vergeltungszölle gezielt US-Wählergruppen treffen – etwa Produzenten von Soja und Rindfleisch – könnte Brasilien in die entstehende Lücke stoßen und sich als verlässlicher Lieferant profilieren.
Der Rückzug der USA aus vielen internationalen Hilfsprogrammen eröffnet China neue Einflussmöglichkeiten, wie zuletzt in Kambodscha zu beobachten war. Dennoch bleibt es fraglich, ob Washingtons Rolle kurzfristig ersetzt werden kann. Zwar nimmt der Handel in Nicht-Dollar-Währungen zu, doch bleibt er marginal. Das Vertrauen in den US-Dollar ist angeschlagen, wie die entkoppelten Korrelationen zwischen VIX, Treasuries und Dollar-Index zeigen – aber nicht zerstört. Erste pragmatische Signale aus Washington, wie das Handelsabkommen mit Großbritannien oder das Zurückrudern in der Debatte um die Fed-Führung, deuten auf strategische Kompromissbereitschaft hin.
Vor diesem Hintergrund sehen wir Potenzial – allerdings nicht in der BRICS-Gruppe als geschlossener Block, sondern in einzelnen Ländern. Der US-Rückzug schafft taktische Optionen für Kooperation, doch die tiefgreifenden Unterschiede in Werten und strategischen Zielen bleiben bestehen. Was die BRICS vereint, ist vor allem das Misstrauen gegenüber dem Westen – ein fragiler Kitt, der kaum für langfristige Integration reicht.
Indien zeigt vielversprechende Perspektiven: eine junge Bevölkerung, wachsende Mittelschicht, zunehmende Produktionskapazitäten – ein Mix, der nachhaltiges Wachstum verspricht. In China wiederum bieten sich selektive Chancen, trotz der Herausforderungen beim Übergang zu einem konsumorientierten Modell. Die Erholung der Tech-Werte und ein wieder aktiver IPO-Markt verbessern das Investorenklima und könnten neue Kapitalströme anziehen.

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